Frage:
Ein Freund hat sich als trans geoutet und möchte jetzt „sie“ genannt werden. Mir rutscht aber ständig „er“ raus weil ich das einfach gewohnt bin. Ich entschuldige mich natürlich jedes mal, aber es ist mir peinlich. Was kann ich noch tun?
Damit bist du nicht alleine :)
Mir passiert es auch selber noch oft genug, dass ich „er“ denke und im letzten Moment vor dem Aussprechen noch zu „sie“ korrigiere. Oder dass ich tatsächlich falsche geschlechtszuweisende Wörter benutze, weil alle um mich herum das tun und ich nicht nachdenke. Umdenken ist schwierig. Aber dass du dich bemühst zeigt deiner Freundin dass du sie respektierst und wertschätzt und dass sie dir wichtig ist. Wichtig genug um keine Fehler machen zu wollen. Jedes korrekte Pronomen ist ein kleiner Sieg.
Es gibt einige Dinge die du im Umgang mit Pronomen tun bzw. vermeiden kannst, die helfen mit solchen Situationen respektvoll umzugehen. Ich schreibe jeweils kurz dazu, warum genau mir das wichtig ist.
Situation: Du benutzt im Gespräch ein falsches Pronomen (zB „er“) oder ein falsches geschlechtszuweisendes Wort (zB „Freund“ oder „Mann“) für eine Person.
JA BITTE:
– entschuldigen, korrigieren, weitermachen
Für den ersten Moment nach einem Missgeschick reicht das vollkommen aus.
„..und dann hat er – ups, sorry – dann hat sie..“
Du zeigst damit, dass dir der Fehler bewusst ist, dass du weisst wie es eigentlich richtig wäre, und dass du dich bemühst, es richtig zu machen.
– geduldig sein
Falsch bezeichnet werden tut weh. Auch wenn du es nicht böse meinst, kann es sein dass ich auf falsche Pronomen gereizt oder traurig reagiere. Du machst es vielleicht nur ein einziges Mal alle paar Tage falsch, aber wenn jede Person mit der ich zu tun habe es alle paar Tage ein Mal falsch macht, dann kommt bei mir einiges an Frust und Verzweiflung zusammen. Du hilfst mir sehr, wenn du das dann nicht direkt auf dich beziehst, sondern geduldig bist.
BITTE NICHT:
– einfach so tun als wäre nichts gewesen und hoffen es ist nicht aufgefallen
Glaub mir, auch wenn ich mir vielleicht nichts anmerken lasse, ich habe es mitgekriegt und es tut weh. Steh zu deinem Fehler, sag kurz sorry und korrigier dich.
– dich ausführlich entschuldigen
Ich weiss dass es dir leid tut und es keine Absicht war. Ein kurzes „Sorry“ und dich korrigieren reicht. Die Situation ist unangenehm genug, ohne dass wir uns noch länger damit beschäftigen müssen.. lieber das Gespräch fortführen und über angenehmere Dinge reden.
– Gründe suchen
Mein Bart ist Schuld dass dir ein „er“ rausrutscht? Es liegt an meiner hohen Stimme dass du „sie“ sagst? Mein Name ist halt so..? Ich verstehe das Bedürfnis, zu erklären warum der Fehler passiert ist. Aber damit gibst du mir, meinem Aussehen, meinem Namen etc die Schuld an deinem Fehler. Und wahrscheinlich sind es genau solche Dinge an mir, die ich auch lieber anders hätte und auf die ich nicht unbedingt auch noch hingewiesen werden möchte.
Deine Autokorrektur hat automatisch das falsche Pronomen eingesetzt? Das mag sein, aber dann liegt es immer noch an dir, den Text vor dem Abschicken zu korrigieren.
– sagen wie schwierig es ist
Ich weiss dass es schwierig ist, sonst wäre dir der Fehler ja nicht passiert. Aber ich möchte dich nicht dafür trösten müssen dass du MICH falsch bezeichnest. Wir können gerne zu einem anderen Zeitpunkt darüber reden wie es dir damit geht und wie wir mit spezifischen Schwierigkeiten am besten umgehen, aber bitte nicht wenn der Fehler grade passiert ist.
– Rechtfertigungen finden
Du kennst mich noch von früher und darum ist es okay, falsche Pronomen zu benutzen? Nein. Vielleicht ist die Umstellung für dich schwieriger weil du es so lange anders gewöhnt warst, aber wir sprechen JETZT gerade miteinander. Die Vergangenheit ist vergangen, bitte respektier meine Gegenwart.
Du bist sonst ja total für trans Leute und unterstützt das komplett, und deswegen ist es okay wenn dir Fehler passieren? Nein. Korrekte Pronomen verwenden ist ein TEIL von Respekt und Unterstützung gegenüber trans Menschen. Das lässt sich nicht trennen und gegeneinander aufrechnen.
– vorwarnen dass du Fehler machen wirst
Das weiss ich, das passiert uns allen am Anfang. Aber es ist unangenehm, gleich als erste Reaktion zu hören dass es mühsam ist und bestimmt nicht klappen wird. Viel lieber möchte ich hören, dass du hinter mir stehst und mich unterstützen wirst.
– das Thema ins Lächerliche ziehen
„Dann hat er – ups, sie, äh, es, haha bei dir weiss man ja eh nicht so recht..“
Ich gehe nicht davon aus, dass Leute die meinen Post hier lesen derart respektlos sind, aber der Vollständigkeit wegen: Es ist respektlos, tu es nicht.
JA BITTE, ABER ERST SPÄTER:
Manche Reaktionen sind zwar toll, eignen sich aber eher für einen ruhigen Moment, wenn dir nicht gerade ein Fehler passiert ist. Und am besten wenn nicht zuviele andere Leute dabei sind.
– nachfragen wie es genau funktioniert
Grammatik kann verwirrend sein. Wenn du unsicher bist kannst du nachfragen, wie das Pronomen jetzt genau dekliniert wird und welche Bezeichnungen korrekt sind, damit dir kein Fehler passiert.
Es ist auch sinnvoll nachzufragen, ob es Personen oder Orte gibt, bei denen die neuen Pronomen noch nicht bekannt sind und vielleicht auch gar nicht bekannt sein sollen.
– Zwischenfazit ziehen
Es kann angenehm sein, zwischendurch mal zu hören dass du immer noch auf meiner Seite stehst und es dir wichtig ist, mich korrekt zu bezeichnen.
Vielleicht etwa so: „Hei, sorry dass ich immer noch manchmal falsche Pronomen für dich benutze. Ich bemühe mich, es richtig zu machen. Danke dass du so geduldig bist.“
Oder auch: „Es ist sicher anstrengend, wenn dauernd Leute deine Pronomen nicht hinkriegen. Wie geht es dir damit? Wünschst du dir, dass Leute manchmal anders reagieren würden in solchen Situationen?“
– üben
Das ist so ziemlich der hilfreichste Tipp den ich dir geben kann: Üb die neuen Pronomen.
Am besten einfach in dem du dir jeden Tag immer mal wieder 1 oder 2 Beispielsätze ausdenkst und sie vor dich hinsagst oder aufschreibst oder auch nur in Gedanken durchgehst. Du kannst dir ja vorstellen, jemandem von dieser Person zu erzählen: „Sarah ist eine gute Freundin von mir. Ich kenne sie von einer Party. Sie geht jeden Abend mit ihren Hunden spazieren.“
Vielleicht hilft es dir auch, die korrekten Pronomen und Wörter aufzuschreiben, um sie dir besser merken zu können.
– für Fehler vorsorgen
Wenn du unbedingt darüber sprechen möchtest, dass du in Zukunft mal aus Versehen falsche Pronomen für mich verwenden wirst, dann kannst du zum Beispiel darum bitten, dass ich dich jeweils darauf hinweise. Etwa „bitte gib mir Bescheid, falls ich Fehler mache und es nicht merke, besonders in der Anfangszeit kann es passieren dass ich in alte Muster zurückfalle ohne es zu wollen“.
Bitte sei aber sparsam damit, denn es ist unglaublich anstrengend, Leute dauernd korrigieren zu müssen – unter anderem aus Angst vor oben aufgezählten Reaktionen. Und wenn Leute dann bei jeder Korrektur genervt sind oder sich minutenlang entschuldigen o.ä., dann hilft das auch nicht.
– dich geschmeichelt fühlen und freuen
Das ist vielleicht eher etwas für direkt nach einem Outing. Aber auch sonst: Dass ich mit dir darüber spreche, dir meine korrekten Pronomen sage, und davon ausgehe dass du das akzeptierst und mich nicht deswegen auslachst, ist ein Vertrauensbeweis. Sag ruhig, dass du dich darüber freust und hinter mir stehst.
Zusammengefasst:
Egal welche Gründe für den Fehler verantwortlich waren, das Ergebnis ist dass du mich falsch bezeichnet hast, und es ist mir wichtig zu hören dass du das nicht okay findest. Entschuldige und korrigier dich, aber mach keine grosse Sache draus. Zeig mir dass du auf meiner Seite bist und mich unterstützt. Gib dir Mühe und versuche Ausrutscher zu vermeiden.
Danke :)
(Einige dieser Ideen stammen von Robot Hugs, einem englischsprachigen Comic: http://robothugscomic.tumblr.com/post/97107162945/new-comic-pronouns-right-super-weird-little)
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